Nachrichten Kolumbien | 27 Mai 2024

Kolumbien: Die Unerreichbaren erreichen

 

 
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Josué* wurde geboren, um ein Mamo zu sein, aber Gott hatte andere Pläne für ihn. Heute ist er Missionar und besucht zusammen mit anderen Mitgliedern seiner Kirche Christen, die in abgelegenen Dörfern leben, um ihren Glauben zu stärken.

Im Haus von Josué (Bilder), einem indigenen Christen aus der Sierra Nevada de Santa Marta, über Jesus zu sprechen, ist eine Herausforderung. Sein Haus ist eine einstöckige Konstruktion aus Holz und Zink außerhalb des indigenen Reservats und wird ständig ohne Vorwarnung von Mitgliedern der Gemeinschaft besucht. Er stammt aus einer Familie, die von der Bevölkerung des Reservats sehr respektiert wird, da es sich um eine Familie von Mamos – den spirituellen Führern der Eingeborenen – und von Anführern handelt, die den Traditionen ihres Volkes treu geblieben sind.

Während er auf einer Bank sitzend mithilfe einer Holzkonstruktion im Schein der einzigen Glühbirne des Raumes webt, erzählt er uns, wie er von Jesus erfahren hat. Für die indigenen Völker ist das Christentum ein Glaube, der einzig und allein dem Westen vorbehalten ist, und keiner der Ureinwohner sollte ihn annehmen, da er eine Bedrohung für ihre Kultur darstellt.

Die größere Wahrheit

Josué wollte schon in jungen Jahren ein Mamo werden, um der Gemeinschaft zu helfen. Aber als er älter wurde, spürte er, dass ihm etwas fehlte. Er verließ sein Elternhaus und zog zu seinem Bruder außerhalb ihrer Gemeinschaft.

Sein Bruder machte ihn mit dem Evangelium und der Bibel bekannt. »Ich erkannte, dass die Mamos nur den Arhuacos helfen wollten, aber es gab einen viel größeren Menschen, der allen helfen wollte. Und das war eine größere Wahrheit«, sagt er.

Er beschloss, seine Arbeit als Mamo aufzugeben, was seine Familie und die Stammesführer verärgerte. »Sie sagten meinem Vater, dass das Konsequenzen haben würde«, erzählt er. Monate später stürzte, wie die Mamos vorausgesagt hatten, ein Baum auf ihn und brach ihm einen Teil seines Beins und seines Rückens. Im Krankenhaus sagten ihm die Ärzte, dass er möglicherweise nicht mehr gehen könne und sein Bein amputiert werden müsse. Die Mamos sagten seiner Familie auch, dass er sich nicht mehr aufrecht halten könne, wenn er nicht wieder ein Mamo werde. Aber trotz allem vertraute Josué darauf, dass Gott das letzte Wort hat.

Er erzählt:

»Ich habe gebetet: ›Gott, du bist mit mir, und es ist nicht ihre Entscheidung, sondern deine. Gib mir eine zweite Chance zu gehen und das zu tun, was du von mir willst, denn ich will nicht, dass meine Gemeinschaft ohne Jesus bleibt.‹«

Josué

Ein Jahr später konnte er wieder gehen und beschloss, nach Bogotá zu reisen, um sich als Missionar ausbilden zu lassen, ohne jemandem davon zu erzählen.

Rückkehr in die Gemeinschaft

Vier Jahre später kehrte er zurück und baute ein kleines Haus am Rande des Reservats. Er fand wieder Kontakt zu seiner Familie. Er begann, wieder für die Gemeinschaft zu arbeiten und wurde der bekannteste Trachtenweber im Reservat. Seine Arbeit als Weber war die ideale Möglichkeit, in der Gemeinschaft zu bleiben und das Evangelium weiterzugeben.

»Wie die Bibel sagt, müssen wir klug sein wie die Schlangen und sanft wie die Tauben. Mir wurde klar, dass sie mich aus der Gemeinschaft ausschließen würden, wenn ich meinen Glauben offenlegen würde, und ich könnte meinen Dienst hier nicht mehr tun.«

Josué

»Mit diesen Beinen reise ich nun schon seit sieben Jahren durch die Sierra, um die Gläubigen zu besuchen, die an anderen Orten leben, die weggezogen sind oder die ihren Glauben allein leben, um sie zu begleiten und zu stärken«, sagt Josué, berührt seine Knie und schaut uns mit tränengefüllten Augen an.

Josué hat auch begonnen, sich intensiver mit der Bibel zu befassen und hat mehrere Bücher der Bibel in die einheimische Sprache übersetzt. Er entwickelte auch biblische Tonaufnahmen, um das Evangelium in Gemeinden zu bringen, in denen Spanisch nicht verbreitet ist.

Eine Gemeinschaft heimlicher Gläubiger

Durch sein Zeugnis wurden einige Mitglieder seiner Volksgruppe Christen und gründeten eine Gruppe heimlicher Missionare, um die Gläubigen in anderen Gemeinschaften zu stärken.

Heute trifft sich die Gruppe heimlich im Reservat, um Christen aus anderen Gemeinschaften zu lehren, wie sie das Evangelium auf kreative Weise weitergeben können. »Wir treffen uns im Busch, in einer Höhle oder in der Nähe eines Baches, um nicht entdeckt zu werden. Wir haben auch einen Treffpunkt, den wir ›La Huida‹ nennen, weil wir als Christen immer auf der Flucht sind«, erklärt er.

Josué träumt davon, dass durch ihre missionarische Arbeit viele Arhuacos Jesus kennenlernen.

Ein geheimes ­Missionsprojekt

In »La Huida« haben die heimlichen Christen auch begonnen, sich darauf vorzubereiten, das Evangelium in andere Dörfer zu tragen, im Verborgenen zu predigen und die Christen zu stärken, die an abgelegenen Orten leben.

Josué und andere Mitglieder der Gemeinschaft treffen sich manchmal, um eine biblische Botschaft vorzubereiten und sie dann zu den Christen zu bringen, die weit weg leben, hoch oben auf dem Berg. »Wir studieren das Thema vorher, damit wir keine Bibel, Bücher oder Tonbänder mitnehmen müssen, sondern es mündlich weitergeben können, um nicht entdeckt zu werden«, sagt er.

Die Missionare nennen es »La Red« (das Netzwerk). Sie begannen, Christen aus anderen Gegenden zu suchen, die sich vom Evangelium entfernt hatten oder die ihren Glauben heimlich ausübten, um diese zu begleiten und zu stärken. Diese gingen dann wiederum in weiter entfernte Gebiete, wodurch ein Großteil der Christen, die in der Sierra leben, miteinander in Kontakt kam.

Die Missionare des Netzwerks sind manchmal bis zu 12 Stunden zu Fuß unterwegs, um die Christen zu erreichen, die weit entfernt sind. Sie tun dies nun schon seit sieben Jahren und haben damit Großartiges erreicht. Sie haben auch sehr abgelegene Orte wie Naucima erreicht und etwa 20 Menschen darin geschult, wie sie das Evangelium weitergeben können.

In den letzten Jahren ist es noch schwieriger geworden, sich zu treffen, nachdem einige junge Leute verhaftet wurden, weil sie erwischt wurden, als sie ohne guten Grund nach La Huida gingen. Josué und andere Mitglieder haben daraufhin eine Reihe von Strategien entwickelt, um den Gläubigen zu helfen, keinen Verdacht zu erregen.

»Wir sahen, dass die Missionsarbeit nicht nur versteckt stattfinden sollte, und so beschlossen wir, eine Plantage anzulegen, um Menschen einzuladen, hier zu arbeiten. Manche Leute kommen dafür von weit her«, sagt Josué.

Dank dieses Projekts, das seit Ende 2022 von Open Doors unterstützt wird, können Christen in den Dörfern viel freier ein- und ausreisen.

Die Frauen haben ihre eigene Strategie entwickelt, um sich zu treffen und das Evangelium weiterzugeben: Durch ein »mochilas«-Webeprojekt (Umhängetaschen, Bild, S. 8) wollen sie nicht nur mit anderen Frauen zusammenkommen, um über das Evangelium zu sprechen, sondern auch ein Einkommen erwirtschaften, um die missionarischen Aktivitäten der Kirche zu unterstützen. Das Weben von »mochilas« ist einer der traditionellsten Bräuche der Arhuaca-Frauen. Dadurch wurden auch einige nicht gläubige Frauen auf das Projekt aufmerksam und die Christinnen hatten die Gelegenheit, mit ihrnen das Evangelium zu teilen.

* Name geändert


 

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