Letzte Woche ließ Präsident Kiir seinen Vizepräsidenten Riek Machar verhaften und versetzte damit dem wertvollen Friedensabkommen von 2018 einen schweren Schlag. „Die Verhaftung und Inhaftierung von Vizepräsident Dr. Riek Machar bringt das Friedensabkommen effektiv zum Scheitern“, sagte Machars Parteisprecher.
Nun ist das Überleben der Einheitsregierung ungewiss; es gibt Warnungen, dass der Südsudan langsam in den Krieg im benachbarten Sudan hineingezogen wird. „Dies würde nicht nur den Südsudan, sondern die gesamte Region verwüsten“, warnt die lokale UN-Mission UNMISS. Es gibt Anzeichen dafür, dass das sudanesische Militär im benachbarten Südsudan ethnische Spannungen schürt, um daraus in seinem eigenen Konflikt strategischen Nutzen zu ziehen.
Der Südsudan ist entlang ethnischer Linien geteilt. Die politischen Spannungen spiegeln die seit langem andauernden Gewaltausbrüche zwischen dem mehrheitlichen Stamm der Dinka von Präsident Kiir und der ethnischen Gruppe der Nuer von Vizepräsident Machar wider, die in der Region des Oberen Nils vorherrscht.
Auslöser der Krise war der Abschuss eines Armeehubschraubers im März durch eine Milizeinheit in der Region Oberer Nil, die als Weiße Armee bekannt ist. Präsident Kiir beschuldigt Vizepräsident Machar, enge Verbindungen zu der Miliz zu unterhalten und einen Aufstand gegen ihn anzuzetteln. Der Vizepräsident bestreitet dies.
Der Angriff auf den Hubschrauber führte zu Vergeltungsangriffen aus der Luft und Fassbombenangriffen auf Zivilisten in der gesamten nördlichen Region des Oberen Nils, bei denen Zivilisten schreckliche Verbrennungen erlitten und zahlreiche Menschen starben. Die wichtigsten Verbündeten von Vizepräsident Machar wurden festgenommen; letzte Woche wurden er und seine Frau unter Hausarrest gestellt.
Präsident Kiir hat außerdem um die Entsendung ugandischer Truppen in den Südsudan gebeten, was die Angelegenheit noch komplizierter macht.
Die Kontrolle über die ölreiche Grenzregion am Oberen Nil ist für den Ausgang des brutalen Konflikts zwischen dem sudanesischen Militär und der paramilitärischen RSF (Rapid Support Forces) im benachbarten Sudan von entscheidender strategischer Bedeutung. Das sudanesische Militär nutzt die Spannungen im Südsudan seit Jahrzehnten zu seinem eigenen Vorteil aus.
Am 15. April sind zwei Jahre vergangen, seit der Krieg zwischen den sudanesischen Streitkräften (SAF) und den Rapid Response Streitkräften (RSF), die um die Kontrolle des Landes kämpfen, begann. Seitdem hat das sudanesische Volk den Preis dafür gezahlt: Gewalt, Hunger und wirtschaftlichem Zusammenbruch. Bis Juni 2024 starben im Sudan schätzungsweise 150.000 Zivilisten und nach Angaben der Vereinten Nationen wurden 12,5 Millionen Menschen vertrieben.
Christen im Sudan sind unerwünschte Minderheit (etwa 4 %) in einem Land, das von einer radikalen islamischen Ideologie durchdrungen ist. Christen wurden zusammen mit dem Rest der Bevölkerung in großem Umfang vertrieben. Bislang wurden mehr als 100 Kirchengebäude beschädigt und Christen entführt und getötet. Sie werden sowohl von den sudanesischen Streitkräften als auch von den RSF-Truppen ins Visier genommen. Der RSF werden insbesondere Massenvergewaltigungen an sudanesischen Christinnen vorgeworfen. Darüber hinaus leiden Christen in der Hungerkrise besonders schwer, weil sie von den lokalen Gemeinschaften in der Verteilung von Hilfsgütern diskriminiert werden und ihnen keine Unterstützung gewährt wird.
In der Zwischenzeit - nach zwei Jahren Krieg - ist noch immer kein ausverhandeltes Ende der Gewalt erreicht worden.
Analysten der International Crisis Group diskutieren nun offen darüber, ob das sudanesische Militär alte Verbindungen zu lokalen Milizen im Gebiet des Oberen Nils reaktiviert hat, um ihnen dabei zu helfen, die Kontrolle über das Grenzgebiet zu erlangen. Ein mögliches Szenario ist, dass der Krieg im Sudan mit den Konflikten im Südsudan verschmilzt, die südsudanesische Führung zu Allianzen zwingt und den Südsudan in das eigene Blutvergießen des Sudan hineinzieht. Beobachter sagen, dass Präsident Kiir in den letzten Monaten Anzeichen dafür erkennen ließ, dass er sich der paramilitärischen Führung der RSF im Sudan annähert.
»Südsudanesische Christen, die einen bedeutenden Teil der Bevölkerung ausmachen, wären im Falle eines erneuten Konflikts besonders gefährdet«, warnt Yonas Dembele*, Analyst bei World Watch Research für den Südsudan. »Sie haben bereits wiederholt Angriffe durch bewaffnete Gruppen in verschiedenen Teilen des Südsudan erlitten. Ein Wiederaufflammen des Bürgerkriegs würde ihre Situation verschlimmern. Wir müssen die Anwesenheit anderer bewaffneter Akteure zur Kenntnis nehmen, die unabhängig von den wichtigsten politischen Fraktionen agieren; diese Gruppen könnten die Instabilität ausnutzen, um die Gewalt zu eskalieren, auch gegen christliche Gemeinschaften. Die kombinierte Wirkung von politischem Zusammenbruch und opportunistischer Gewalt könnte die Sicherheit und das Überleben der Christen im Südsudan ernsthaft bedrohen.«
Im Moment scheint der Südsudan in einer politischen Sackgasse zu stecken. Die Partei des Vizepräsidenten, die SPLM, sagt, das Friedensabkommen sei tot. Die Regierung sagt, es sei nicht tot – trotz der Inhaftierung von Vizepräsident Machar. Es scheint, dass der des Friedensabkommens von einer effektiven Vermittlung abhängt. »Die internationale Gemeinschaft und die beiden Staatsoberhäupter des Südsudan müssen jetzt zusammenarbeiten und die Bedürfnisse der Bürger des Landes über politische Rivalitäten stellen«, sagt Yonas Dembele.*
Es ist offensichtlich, dass die Entwicklung im Südsudan eine existenzielle Bedrohung für die Zukunft des Landes ist. »Als der Südsudan 2011 die Unabhängigkeit vom Sudan erlangte, wurden die Christen zur Bevölkerungsmehrheit«, erklärt Jo Newhouse*, Sprecherin von Open Doors für Subsahara-Afrika. »Sie waren nicht mehr der Verfolgung ausgesetzt, die sie unter dem ehemaligen Präsidenten Hassan al Bashir erlebt hatten. Jetzt fordern wir die internationale Gemeinschaft auf, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um zur Wiederherstellung von Frieden und Sicherheit im Südsudan beizutragen.«
* Namen aus Sicherheitsgründen geändert
Wir verwenden Cookies und andere Technologien auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell, während andere uns helfen, diese Website und Ihre Erfahrung zu verbessern. Wir nutzen sie u. a., um Ihnen eine sichere Spendenmöglichkeit anzubieten und um Zugriffe auf unsere Website anonymisiert auszuwerten. Außerdem können wir so eigene YouTube-Videos auf der Website teilen. Je nach Funktion werden dabei Daten an Dritte weitergegeben und von diesen verarbeitet. Weitere Informationen über die Verwendung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung. Sie können Ihre Auswahl jederzeit unter Einstellungen widerrufen oder anpassen.