Pressemeldungen Naher Osten | 10 Dezember 2024

Syrien: Wer ist die neue Führung des Landes und wie wird sie mit der christlichen Minderheit umgehen?

 

 
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Die HTS ist seit 2011 in Syrien aktiv. Einige ihrer Aktionen deuten darauf hin, dass diese mit islamistischen Gruppen verbundenen Rebellen Offenheit zeigen und die Rechte der anderen im Land ansässigen Religionsgemeinschaften respektieren werden. Doch die jüngste Geschichte in der Region, insbesondere im Irak, hält die christliche Minderheit davon ab, sich angesichts dessen, was für sie wie eine Zeit großer Unsicherheit aussieht, zu freuen.

Wien, 10. Dezember 2024 - Die Welt war am vergangenen Wochenende fassungslos, als sich Syrien scheinbar über Nacht veränderte. Rebellen übernahmen die Hauptstadt Damaskus, und der starke Mann an der Spitze Syriens, Baschar al-Assad, floh nach Russland. Er hatte das Land mehr als 20 Jahre lang geführt und damit die Nachfolge seines Vaters angetreten, der das Land zuvor fast 30 Jahre lang gelenkt hatte. Nun wird Syrien zum ersten Mal seit fast 50 Jahren nicht von einem Assad regiert.

Eine blitzartige Machtübernahme

Am 29. November erreichten syrische Kämpfer von Hayat Tahrir al-Sham (HTS), einer von der Türkei unterstützten Oppositionsgruppe, das Zentrum von Aleppo, der zweitgrößten Stadt Syriens. Einen Tag später rückten die HTS-Kräfte in Richtung der Stadt Hama vor und übernahmen am 5. Dezember die Kontrolle über Hama. Schließlich nahmen sie auch Homs ein und machten sich auf den Weg nach Damaskus. Am 7. Dezember floh Assad und die Rebellengruppen erklärten den Sieg und hissten die neue syrische Flagge über Damaskus.

Die Übernahme durch die Rebellen erfolgte rasch, obwohl der Boden dafür durch fast ein Jahrzehnt Bürgerkrieg bereitet worden war. Doch wer sind diese Rebellengruppen? Und was bedeutet die neue politische Realität für die syrischen Christen?

Wer sind die neuen Machthaber in Syrien?

Hayat Tahrir al-Sham (der Name der Gruppe bedeutet »Organisation für die Befreiung der Levante«) wurde 2011 unter einem anderen Namen gegründet: Jabhat al-Nusra, die mit Al-Qaida verbündet war. Der BBC zufolge war die Gruppe zu Beginn des syrischen Bürgerkriegs »eine der effektivsten und tödlichsten der Gruppen, die sich gegen Präsident Assad stellten«.

Im Jahr 2016 brach die Gruppe ihre Verbindungen zu Al-Qaida ab und benannte sich schließlich 2017 um, als sie sich mit anderen Rebellengruppen zusammenschloss. Nachdem die Oppositionsgruppen 2016 aus Aleppo vertrieben wurden, kontrollierte die HTS hauptsächlich das Gebiet westlich von Aleppo um die Stadt Idlib. Sie wird von der Türkei unterstützt. Sie wird von den Vereinigten Staaten, der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich weiterhin als terroristische Organisation eingestuft.

Die HTS verfolgt eine islamische Agenda; sie wollen seit langem Assad und die Hisbollah - eine vom Iran unterstützte islamistische libanesische Gruppe - stürzen und eine islamische Herrschaft in Syrien errichten. Unter der Kontrolle der HTS in Idlib durften und dürfen christliche Geistliche in der Öffentlichkeit keine Kleidung tragen, die sie als Priester oder Pastoren erkennbar macht. Kreuze wurden aus Kirchengebäuden entfernt.

Zeichen religiöser Toleranz

Es gibt jedoch keine aktuellen Berichte über HTS-Kämpfer, die Christen oder andere Gruppen bedrohen. Öffentliche Erklärungen der Gruppe deuten darauf hin, dass sie versucht, sich als tolerant gegenüber Minderheiten und Menschenrechten zu präsentieren. Der Anführer von HTS, Ahmed al-Sharaa (der früher unter dem Decknamen Abu Mohammad al-Jolani auftrat), erklärte gegenüber CNN sogar, dass HTS »alles in ihrer Macht Stehende getan hat, um Christen und anderen religiösen und ethnischen Minderheiten öffentlich zu versichern, dass sie unter ihrer Herrschaft sicher leben werden«.

»Niemand hat das Recht, eine andere Gruppe auszulöschen«, sagte al-Sharaa gegenüber CNN. »Diese Sekten haben in dieser Region seit Hunderten von Jahren koexistiert, und niemand hat das Recht, sie zu eliminieren.«

Das jüngste öffentlich zugängliche Regelwerk der HTS-Führung in Damaskus lässt ebenfalls auf eine gemäßigtere islamistische Herrschaft hoffen. Diese Regeln beinhalten ein Verbot von Racheakten zwischen Syrern, eine Freiheitsgarantie für Medien und ein Verbot von Einschränkungen für die Kleidung von Frauen, die auch islamische Kleidung umfasst.

»Der Führungswechsel in Syrien unter dem HTS-Chef Ahmed al-Sharaa hat gemischte Reaktionen hervorgerufen«, erklärt Henriette Kats, eine Open Doors-Forschungsanalystin für den Nahen Osten. »Während er Sicherheit und ein friedliches Zusammenleben für alle Minderheiten, einschließlich der Christen, verspricht, bestehen aufgrund der dschihadistischen Ursprünge der HTS und ihrer Bilanz von Menschenrechtsverletzungen weiterhin Zweifel.«

Und so bleibt die Unsicherheit bestehen.

Stunden der Ungewissheit und Unsicherheit für Christen

Wie andere Syrer auch, fühlen sich die Christen unsicher, da sie nicht wissen, was sie erwartet. Im Allgemeinen fürchten sie, dass der Machtwechsel negative Auswirkungen auf die Freiheit haben könnte, die sie als Christen hatten. Aber das wichtigste Gefühl für die Christen in Syrien ist die Ungewissheit: Es ist einfach unmöglich zu wissen, was die Zukunft für sie bereithält. Assad galt weithin als Tyrann, was den Jubel vieler Syrer erklärt, über den die internationale Presse seit seinem Sturz ausführlich berichtet hat.

Die Ablösung eines Tyrannen kann sich jedoch als heikel erweisen und zu einem Machtvakuum führen. Dies geschah im Irak im Jahr 2007, als Saddam Hussein abgesetzt wurde und ein Machtvakuum zum Aufstieg des IS führte. Die Christen beten, dass sich dieses Phänomen nicht wiederholt. Vorsichtiger Optimismus ist angebracht.

»Für Christen und andere Minderheiten ist die Zukunft nach wie vor prekär, da frühere Schwierigkeiten in Idlib und die Befürchtung, dass die Versprechen, die Menschenrechte zu achten, nur eine Taktik sind, um die anfängliche Unterstützung der Öffentlichkeit zu gewinnen, werfen Fragen nach der langfristigen Stabilität auf«, erklärt Kats.


 

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