Der Weltverfolgungsindex (WVI), der am 15. Jänner 2025 veröffentlicht wurde, listet die 50 Länder auf, in denen es für Christen am gefährlichsten ist, ihren Glauben zu leben und zu bekennen. Zum dritten Mal in Folge und zum 23. Mal seit dem ersten WVI im Jahr 1993 rangiert Nordkorea an der Spitze des Index. Seit 2002 war die Demokratische Volksrepublik Korea jedes Jahr die Nummer 1, mit Ausnahme von 2022, als sie nach dem Fall Afghanistans an die Taliban an zweiter Stelle stand.
Neben der erstickenden Unterdrückung, die Nordkoreas Untergrundchristen bereits lange Zeit ertragen müssen, dokumentiert der WVI 2025 auch andere Trends, die sich über viele Jahre erstrecken, wie beispielsweise die anhaltende tödliche Gewalt in weiten Teilen des afrikanischen Kontinents. Wenn es für 2025 eine neue Entwicklung gibt, dann ist sie in Zentralasien zu finden.
Kirgisistans Punkte auf dem Weltverfolgungsindex stiegen um 7,5 – so viel wie bei keinem anderen Land auf dem Index. Das reichte aus, dass das Land um 14 Plätze auf Rang 47 vorrückte und das erste Mal seit 2013 in die Top 50 zurückkehrt.
»Bevor der derzeitige Präsident [Sadyr] Japarov im Jänner 2021 an die Macht kam, war Kirgisistan als das am wenigsten autoritäre Land in der Region Zentralasien bekannt«, berichtete Rolf Zeegers, Analyst bei World Watch Research, der Forschungsabteilung von Open Doors. Seitdem sei »eine ganze Reihe restriktiverer Gesetze eingeführt worden. Wir haben eindeutig eine Zunahme der Einschränkungen der Religionsfreiheit festgestellt«. Das Land erlebte einen starken Anstieg der Gewalt gegen Kirchen, unter anderem durch Attacken mit Steinwürfen oder Razzien in Gottesdiensten.
In ähnlicher Weise erhöhte die Verschärfung der staatlichen Kontrollen im benachbarten Kasachstan die Bewertung im WVI um 3 Punkte, was dazu beitrug, dass das Land um 9 Plätze auf Rang 38 kletterte. Die Analysten protokollierten beispielsweise Berichte über Polizeirazzien bei Gottesdiensten sowie über sexuellen Missbrauch christlicher Frauen.
»Die Bedrohung durch autoritäre Regime in Zentralasien hat sich so verschärft, dass viele Christen in der Region zunehmend Angst haben«, sagt Frans Veerman, Geschäftsführer von Open Doors World Watch Research. »Christen werden in Ländern, die von zunehmend autokratischen Regimen und radikalen Elementen heimgesucht werden, gezielt ins Visier genommen oder sind besonders verwundbar.«
In der strikt islamisch geprägten Gesellschaft des Jemen leiden Christen seit vielen Jahren unter extremer Verfolgung. Der seit 2015 herrschende Bürgerkrieg führt darüber hinaus zu zunehmender Gesetzlosigkeit und schafft Raum für die Unterdrückung von Minderheiten wie Christen. Mehrfach wurden Christen wegen ihres Glaubens oder aufgrund falscher Anschuldigungen verhaftet; oft sind eigene Familienangehörige daran beteiligt. Dutzende Hauskirchen mussten ihre Treffen wegen Bedrohungen einstellen. Der Jemen stieg im aktuellen WVI um 4,6 Punkte und liegt auf Rang 3.
Die Kämpfe zwischen Myanmars Armee und einer Vielzahl von Oppositionsmilizen brachten das Land auf dem Index in die Kategorie »extreme Verfolgung«, die die 13 Länder an der Spitze des WVI umfasst. Die gezielte Verfolgung von Christen ist aufgrund der Not weiter Teile der Bevölkerung im Bürgerkrieg nicht sofort erkennbar, denn die Armee bekämpft alle, die sie verdächtigt, die Rebellen zu unterstützen. Dabei werden Christen immer wieder zum Ziel von Angriffen sowie Verhaftungen; Hunderttausende wurden bereits vertrieben.
Die Punktzahl des Sudan stieg um 3 Punkte, was dazu beitrug, dass das Land aufgrund der Verschärfung des Bürgerkriegs um 3 Plätze auf Rang 5 kletterte. Das Land verzeichnete einen Anstieg der Zahl der getöteten Christen, der sexuellen Übergriffe sowie der Angriffe auf christliche Häuser und Geschäfte. Bis Mitte 2024 waren mehr als 7,7 Millionen Menschen auf der Flucht, was es zur größten Vertreibungskrise der Welt macht.
Die Verdrängung der Christen aus der Gesellschaft und die Schwächung von Kirchen ist ein Muster, das in einer Reihe von Ländern festgestellt wurde. In Ländern wie Algerien und Libyen nimmt die sichtbare christliche Präsenz ab und zwingt die wenigen Christen in die Isolation oder in Untergrundgottesdienste. In Afghanistan sind christliche Treffen selbst im Verborgenen nicht mehr möglich. In Algerien ist nach zahlreichen Kirchenschließungen mittlerweile keine einzige protestantische Kirche mehr regulär geöffnet.
Christen in China und anderen autokratischen Staaten sind aufgrund der fortgeschrittenen Überwachung immer vorsichtiger, wenn es darum geht, ihren Glauben offen zu bekennen, ob im realen Leben oder in Online-Aktivitäten.
In den 50 Ländern des Weltverfolgungsindex (WVI) sind rund 310 Millionen Christen einem sehr hohen bis extremen Maß an Verfolgung und Diskriminierung ausgesetzt. Betrachtet man außerdem die Länder mit einem hohen Maß an Verfolgung, so sind mehr als 380 Millionen Christen betroffen. Mittels einer Indexpunktzahl werden die Länder den Verfolgungsrubriken »extrem« (81-100 Punkte), »sehr hoch« (61-80 Punkte) und »hoch« (41-60 Punkte) zugeordnet.
Top Ten im WVI 2025 (Rang im WVI 2024 in Klammern):
1. Nordkorea (1)
2. Somalia (2)
3. Jemen (5)
4. Libyen (3)
5. Sudan (8)
6. Eritrea (4)
7. Nigeria (6)
8. Pakistan (7)
9. Iran (9)
10. Afghanistan (10)
Kurt Igler, Geschäftsführer von Open Doors Österreich, fordert angesichts dieser Entwicklungen zu verstärktem Einsatz westlicher Regierungen auf: »Der erneute deutliche Anstieg von Gewalt gegen Christen im vergangenen Jahr muss uns alle in den westlichen Ländern aufrütteln und zu gezieltem Handeln bewegen. Wir dürfen zu dieser Gewalt nicht schweigen, sondern müssen sie noch viel häufiger und klarer thematisieren und dürfen mit Recht von involvierten politischen und religiösen Gruppen eine Positionierung erwarten«, konstatiert er. »Wir appellieren daher an die österreichische Politik und Öffentlichkeit, sich dafür einzusetzen, dass die Regierungen in diesen Regionen sinnvolle Maßnahmen ergreifen, um dem wachsenden Einfluss dschihadistischer Gruppen zu begegnen und dem Schutz der Schwachen vor Aggressoren Vorrang einzuräumen. Ohne effektive Maßnahmen werden einst blühende christliche Gemeinden verschwinden«, sagt Igler. »Wir fordern die österreichische Regierung auf, diese Prioritäten in ihrer Außenpolitik und ihrem diplomatischen Engagement zu berücksichtigen und Gerechtigkeit für die Opfer und Rechenschaftspflicht der Täter einzufordern.«
Alle Informationen zum Weltverfolgungsindex 2025 finden Sie unter www.opendoors.at/index.
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